Johann Sebastian Bach (1685-1750)
Cembalo-Konzert in d-Moll (BWV 1052)
allegro – adagio – allegro
Um 1738 machte sich Johann Sebastian Bach an eine seit längerem geplante Arbeit: Er schrieb in einer einzigen Partitur den Zyklus seiner Cembalokonzerte nieder. Sinn dieser Handschrift war es, Solokonzerten, die seit Jahren zu Bachs Repertoire gehörten, eine Fassung letzter Hand zu geben. Bach korrigierte, fügte hinzu und änderte, was ihm für ein Cembalokonzert zu wenig glänzend und vollgriffig erschien, bearbeitete frühere Violin- oder Oboenkonzerte, deren Solopart er für das Tasteninstrument arrangierte.
Die Cembalokonzerte entstanden in Leipzig. Während dieser Zeit leitete Bach das von Telemann gegründete Collegium Musicum leitete. Nach einem ersten Experiment 1720/21 im fünft en Brandenburgischen Konzert setzte er in diesen Werken erstmals in größerem Umfang das Cembalo als Soloinstrument ein. Biographen nehmen an, dass Bach in den Konzerten mit mehreren Solocembali auch seinen beiden ältesten Söhnen Gelegenheit geben wollte, solistisch aufzutreten und entsprechende Erfahrungen zu sammeln.
Die Musikpraxis akzeptiert bis heute nicht voll, dass Bach eine Violine durch ein Cembalo ersetzen wollte, obwohl viele Detailverbesserungen und die gesamte Art der Umarbeitung der Solostimmen die Sorgfalt und das Interesse des Autors erkennen lassen. Dies gilt auch für das d-Moll- Cembalokonzert BWV 1052. Seinen Kopfsatz verwendete Bach 1726 in der Kantate BWV 146 als Vorspiel, den zweiten Satz für den Eingangschor „Wir müssen durch viel Trübsal in das Reich Gottes eingehen“, indem er vier Singstimmen in den Konzertsatz hineinkomponierte. Das tänzerische Finale diente ihm zwei Jahre später als Sinfonia zur Kantate BWV 188 „Ich habe meine Zuversicht“.
Ohne den einkomponierten Chor könnte Bach das d-Moll-Konzert auch als Orgelkonzert mit Orchester aufgeführt haben. Wahrscheinlich im September 1725 an der Silbermannorgel der Dresdner Sophienkirche in einem viel beachteten Konzert mit der Dresdner Hofkapelle.
Die Urfassung als Violinkonzert in d-Moll wurde mehrfach rekonstruiert, eine „Tour de force“ für den Solisten, in der Bach auf das Virtuosenkonzert nach dem Vorbild Vivaldis zurückgriff. U.a. benutzte Bach die Bariolage, den Wechsel zwischen leerer und gegriff ener Seite, im Kopfsatz für lange, äußerst schwierige Violinpassagen. Für die Fassung als Cembalokonzert entwickelte Bach aus dieser hypervirtuosen Geigenstimme einen vollgriffigen Cembalosatz in weitesten Dimensionen mit aufsehenerregenden „clavieristischen“ Effekten.
Während alle anderen Cembalokonzerte Bachs nach seinem Tod rasch in Vergessenheit gerieten, erfreute sich das d-Moll-Konzert auch im 19. Jahrhundert großer Beliebtheit. Dies war das Verdienst Felix Mendelssohns, der sich schon früh in den Besitz eines Auff ührungsmaterial gelangte. Regelmäßig fügte er es in eine Programme ein, wohl wissend, dass es alle Anforderungen an ein Virtuosenkonzert erfüllte und zugleich in seinem düsteren „Sturm und Drang“ dem romantischen Zeitalter besonders entsprach.
Text: Reinhard Schwalbe