Luigi Cherubini, Requiem c-moll, für gemischten Chor und Orchester. Komponiert 1816. Uraufführung am 21. Januar 1817 in der Abteikirche zu St. Denis. Erstdruck Chez l’auteur in Paris ca. 1818.
Luigi Cherubini wurde am 14. September 1760 in Florenz geboren. Als Sohn eines Cembalisten erhielt er früh schon ersten Musikunterricht; im Alter von 9 Jahren komponierte er erste geistliche Lieder und Chorsätze.
Die Kirchenmusik war auch das hauptsächliche Betätigungsfeld des angehenden Komponisten, bevor er mit Il quinto Fabio 1779 sein Debüt als Opernkomponist feierte. Es folgten in den Jahren darauf eine Reihe weiterer Bühnenkompositionen, mit denen er in der Heimat erste Erfolge feierte.
1784 begab sich Cherubini auf ausgedehnte England-Tournee; als sich jedoch der erhoffte Erfolg mit seinen Opern (La finta principessa, 1785, und Il Giulio Sabino, 1786) auf der Insel nicht einstellte, verließ er die englische Hauptstadt im Juli 1786 in Richtung Paris und Frankreich wurde in der Folge Cherubinis Wahlheimat, deren Musikleben er über ein halbes Jahrhundert entscheidend mitprägen sollte.
Zunächst trat er auch hier als Opernkomponist in Erscheinung, verfasste eine stattliche Anzahl von Arien und Einlagen für die beliebten komischen italienischen Opern und passte diese so dem französischen Geschmack an, bevor im Dezember 1788 mit Démophon seine erste französische Oper uraufgeführt wurde.
Schnell etablierte Cherubini sich so im französischen Musikbetrieb, u.a. als Mitbegründer und künstlerischer Leiter des „Théâtre de Monsieur“ 1789. Die Oper Lodoïska (UA 1791) war mit über 200 Vorstellungen einer der größten Erfolge in Paris und bedeutete den endgültigen Durchbruch Cherubinis in Frankreich. Aufgrund und im Verlauf der politischen Wirren während der Französischen Revolution jedoch wurden mehrere aristokratisch-royalistische Theatergesellschaften, an denen der Komponist engagiert war, aufgelöst und der Cherubini verlor somit wichtige Arbeitsmöglichkeiten. Zudem machte sich ein Nervenleiden immer stärker bemerkbar und so zog sich Cherubini vorläufig in die Normandie zurück. Nur wenige der dort begonnenen Kompositionen wurden vollendet – statt dessen und hauptsächlich betrieb Cherubini dort eingehende Botanik-Studien und zeichnete zudem viel.
Als er 1793 erholt nach Paris zurückkehrte, dauerte es nicht lange, bis sich Cherubini auch mit dem umfassend gewandelten sozio-politischen Leben nach der Revolution arrangierte. Zunächst als Triangelspieler in der Kapelle von Bernard Sarrette am neu gegründeten „Institute national de musique“ sein Geld verdienend, stieg Cherubini in den Folgemonaten rasch auf und avancierte 1794 zum Mitglied des fünfköpfigen Direktoriums des nun als Konservatorium neu etablierten Instituts.
Nachfolgend entstanden mehrere republikanische Hymnen – Auftragswerke, die der Komponist auf Verlangen ablieferte, sich darüber hinausgehend politisch jedoch gegenüber der neuen Staatsmacht eher bedeckt hielt. Zudem entfremdete die Inthronisierung Napoleons Cherubini vom politisierten gesellschaftlichen Leben – Napoleon griff Cherubini sachlich als auch persönlich als „Renegaten“ an, favorisierte seinerseits Komponisten wie Giovanni Paisiello oder Niccolò Antonio Zingarelli. Des weiteren wurde Cherubinis Uraufführungs-Theater, das „Théâtre Feydeau“ – an dem am 16. Januar 1800 auch sein größter und nachhaltigster Opern-Erfolg, Les Deux Journées (Die Wasserträger), uraufgeführt wurde –, geschlossen, was zu enormen finanziellen Einbußen führte. Auch das Wien-Gastspiel 1805 brachte nicht die erhoffte Entlastung außerhalb Frankreichs. Cherubini wurde zwar ein glänzender Empfang bereitet und er erlebte die Uraufführung von Beethovens Fidelio, überreichte seinerseits dem über alles verehrten Joseph Haydn eine Ehrenurkunde des Pariser Konservatoriums, woraufhin er die Original-Partitur der Symphonie mit dem Paukenwirbel (Nr. 103) als Gabe erhielt – der ersehnte künstlerische Erfolg blieb jedoch aus. Trotzdem sich das Verhältnis zu Napoleon allmählich normalisierte und Cherubini auch die Geschäfte am Konservatorium in Paris wieder aufnahm, war er doch sehr angegriffen, glaubte sogar, als Komponist alles gesagt zu haben.
Erneut zog er sich mit Naturstudien in die Provinz zurück und widmete sich der Malerei. Nebenbei entstanden nur wenige Werke, vornehmlich kleinere Kammermusiken. Die Restauration der Monarchie sowie die damit verbundene gesellschaftliche Wiederentdeckung – eine Reihe von Auszeichnungen und Ehrenmitgliedschaften bezeugten dies – wirkte gewissermaßen befreiend auf den Komponisten. Die Ernennung zum „Surintendant de la musique du roi“, die ihm die Verantwortung der Kirchenmusik der „Chapelle royale“ überantwortete, eröffnete einen neuen Werkabschnitt: Cherubini komponierte eine Reihe von Kirchenmusiken, von denen das Requiem c-moll das wohl bedeutendste Werk darstellt.
Ab Mitte der 1820er Jahre widmete sich Cherubini neben der Kirchenmusik vorrangig der Komposition von Kammermusiken. Es entstanden die berühmten späten Streichquartette und – Cherubini war inzwischen zum Professor für Kontrapunkt am Pariser Konservatorium ernannt worden – unzählige Unterrichts-Werke (Fugen, bezifferte Bässe, Prüfungsstücke) für seine Studenten. Als Musik-Theoretiker veröffentlichte Cherubini zudem 1832 seine bedeutende Theorie des Kontrapunktes und der Fuge. Mit nachlassender Schaffenskraft zog sich der Komponist allmählich aus dem Musikleben zurück. Wenige Wochen nach dem Rücktritt als Leiter des Konservatoriums verstarb Luigi Cherubini am 15. März 1842 in Paris und wurde auf dem Friedhof Père Lachaise beigesetzt.
Das Requiem c-moll ist wohl die bedeutendste Komposition, die Cherubini als Leiter der „Chapelle du roi“ neben einer Reihe von Messen komponierte. Sie war ein Auftragswerk Ludwig XVIII. für den Gottesdienst anlässlich des Gedenkens der Hinrichtung seines Bruders, Ludwigs XVI., am 21. Januar 1793, das Cherubini im schaffensreichen Jahr 1816 komponierte. Das Requiem wurde am 16. Januar 1817 in der Abteikirche zu St. Denis uraufgeführt. Das Werk wurde von vielen Zeitgenossen und Musikern tief bewundert. Es erklang auf Beethovens Beisetzung, der mit diesem Requiem „ganz einverstanden“ war. Dem Cherubini sonst eher kritisch begegnenden Hector Berlioz galt es trotz allem „als Meisterwerk; keine andere Composition dieses großen Meisters ist dieser an Reichtum der Ideen, an Großartigkeit der Formen, an Erhabenheit des Styls, […] an durchgängiger Wahrheit des Ausdrucks zu vergleichen.“ – Cherubini verzichtete im Requiem auf Solo-Stimmen, verzichtete mithin weitgehend auf äußere Darstellung, rückt somit vielmehr die Verinnerlichung des existenziellen Erlebens von Tod, Vergänglichkeit des Lebens, Gedenken der Toten in den Vordergrund seiner Komposition. Der ‚Introitus’ führt diesen Gedanken gleich zu Beginn exemplarisch vor: Die sehr sparsame, tief dunkle Instrumentierung – Cherubini spart zunächst die strahlenden Instrumente, Violinen, Oboen, Klarinetten und Trompeten, aus – in den tiefen Registern mit zweigeteilten Bratschen, Celli mit Fagott unisono, Kontrabässen und gedämpften Pauken bildet den klanglichen Grund, bestimmt schon zu Beginn die schwermütige Traurigkeit des Requiems. Dramatische Steigerungen mit ausdrucksvollem Blechbläsersatz und dem berühmten Tamtam-Schlag im nachfolgenden ‚Dies irae’ erheben sich nach den ruhig zurückhaltenden Eingangssätzen mit um so größerem Effekt. Luigi Cherubinis hintergründige Instrumentierung, die Behandlung einzelner Instrumente – z.B. der „zitternden Violinen“ angesichts der Strafen der Hölle im ‚Offertorium’ –, der satztechnische und klanglich vollendete, vornehmlich auf Verständlichkeit angelegte Chorsatz, das dynamisch differenzierte, in allem ausgewogene Wort-Ton-Verhältnis im Zusammenspiel von Chor und Orchester, nicht zuletzt die wirkungsvolle, auch in den erschütternden Steigerungen nie aufdringliche wirkende Dramaturgie bis hin zum demutsvollen Ausklang im „Agnus dei“, zeichnen das Requiem in c des Meisters – dessen 250. Geburtstag wir in diesem Jahr feiern – als eine der bedeutendsten Kompositionen der katholisch-liturgischen Kirchenmusik aus.
Verfasser: Alexander Krahnert