Mozart – Haffner-Symphonie

Konzert des AOE am 06. Juni 2010 im Rathausfestsaal Erfurt

WOLFGANG AMADEUS MOZART

Symphonie in D („Haffner-Symphonie“) KV 385

Komponiert im Juli und August 1782 in Wien. Erstaufführung in der Serenaden-Form im Sommer 1782 in Salzburg. Die Erstaufführung der Symphonie fand am 23. März 1783 in Wien statt. Die Erstausgabe erschien 1785 bei Artaria in Wien.

Bereits die Haffner-Serenade (KV 250) war ein Auftragswerk der Familie des Salzburger Bürgermeisters Sigmund Haffner (d.Ä.), die am 21. Juli 1776 anlässlich der Hochzeit der Tochter Maria Elisabeth im Garten des Sommerhauses ihres Bruders, Sigmund Haffner (d.J.), erklang. Für die Nobilitierung Sigmund Haffners (d.J.) – nachfolgend „Edler von Innbachhausen“ – im Sommer 1782 erging an Wolfgang Amadeus Mozart nach Wien nun erneut ein Kompositionsauftrag für eine festliche Musik, den der Vater Leopold vermittelt hatte. Allerdings kam diese Anfrage höchst ungelegen, da Mozart mit der Fertigstellung seiner Oper Die Entführung aus dem Serail beschäftigt war, deren Premiere auf den 16. Juli 1782 am „Burgtheater“ in  Wien angesetzt war. Außerdem warteten noch andere Kompositionen auf ihre Fertigstellung: Die Nacht-Musique (Bläser-Serenade in c-moll, KV 384a), das Streichquartett G-Dur, KV 387 u.a. Am 23. Juli 1782 stand zudem der Umzug in eine neue, größere Wohnung an, da die Geburt des ersten Kindes, Raimund Leopold, erwartet wurde, und zuvor, am 4. August 1782, stand auch noch die Hochzeit mit Constanze Weber ins Haus. „Nun habe ich keine geringe arbeit. – bis Sonntag acht tag muß meine Opera auf die harmonie gesetzt seyn – sonst kommt mir einer bevor – und hat anstatt meiner den Profit davon; und soll nun eine Neue Sinphonie auch machen! – wie wird das möglich seyn! […] Je nu, ich muß die Nacht dazu nehmen, anderst kann es nicht gehen – und ihnen, mein liebster vatter, sey es aufgeopfert […] und ich werde so viel möglich geschwind arbeiten – und so viel es die Eile zulässt – gut schreiben. –“ Mozart nahm also trotzdem – wohl auch aus Verbundenheit mit dem seit Kindertagen bekannten und befreundeten Haffner – den Auftrag an und schickte die Komposition, sobald ein Satz vollendet war, in mehreren Sendungen seinem Vater nach Salzburg. Eine Woche später, am 27. Juli 1782, ging die erste Sendung ab; Mozart musste sich aber zugleich entschuldigen: „Sie werden augen machen daß sie nur das Erste Allegro sehen; allein – es war nicht anders möglich – ich habe geschwind eine Nacht Musique machen müssen [KV 388], aber nur auf harmonie, |: sonst hätte ich sie für Sie auch brauchen können 😐 Mittwoch den 31:ten schicke ich die 2 Menuett das Andante und lezte stück – kann ich – so schicke ich auch einen Marche – wo nicht so müssen sie halt den von der Hafner Musique |: dersehr unbekannt ist 😐 machen – ich habe sie ex D gemacht wie es ihnen lieber ist. –“ Besagter Marsch ist der als Einleitung und Ausklang zur erwähnten Haffner-Serenade nachkomponierte Marsch KV 249 von 1776. Wenige Tage später bat Mozart fast verzweifelt den Vater um weiteren Aufschub: „Sie sehen daß der Wille gut ist; allein wenn mann nicht kann, so kann man nicht! – ich mag nichts hinschmiren. – Ich kann ihnen also erst künftigen Postag die ganze Sinphonie schicken. – ich hätte ihnen das lezte Stück schicken können, aber ich will lieber alles zusamm nehmen, so kostet es ein geld; – das überschickte hat mich ohnehin schon 3 gulden gekostet. –“ Am 7. August 1782 dann – inzwischen fand die Hochzeit statt – schickte Mozart noch „einen kurzen marsch! – Wünsche nur das noch alles zur rechten zeit kommen möchte – und nach ihrem geschmack seye. – das Erste Allegro muß recht feüerig gehen. – das lezte – so geschwind als es möglich ist. –“

Trotzdem in den Briefen zwar immer von einer „Symphonie“ gesprochen wurde, war die ursprüngliche Form der Komposition ganz offensichtlich – wie sie auch im Hause Haffner anlässlich der Nobilitierungsfeierlichkeit zum Vortrag kam – die der Serenade. Mit dem Marsch für den Ein- und Auszug der Musiker, mindestens zwei Menuetten und wohl noch einem weiteren Satz, insgesamt also wenigstens sechs Nummern, von denen eine wiederholt wurde, war sie – dem hohen Anlass angepasst und auch Mozarts Situation entsprechend – allerdings nicht so umfangreich angelegt wie die ältere, neunsätzige Haffner-Serenade (KV 250).

Für die Fastenzeit des kommenden Jahres 1783 plante Mozart eine musikalische Akademie am „Burgtheater“, angelegentlich derer er sich vom Vater die „Neue Sinfonie[,] die ich ihnen für den Hafner geschrieben“, erbat. Als Mozart die Komposition nach wiederholter Erneuerung seines erstmals im Dezember des Vorjahres ausgesprochenen Wunsches am 15. Februar wieder in den Händen hielt – die Akademie war inzwischen auf den 23. März 1783 fest terminiert –, zeigte er sich überrascht: „– die Neue Hafner Sinfonie hat mich ganz suprenirt – dann ich wusste kein Wort mehr davon; – die muß gewis guten Effect machen. –“ Auf dem Programm der musikalischen Akademie standen: I. die ersten drei Sätze der Haffner-Symphonie (KV 385) – II. die Arie „Se il padre perdei“ aus Idomeneo (KV 366), vorgetragen von Aloysia Lange – III. das neue Klavierkonzert in C-Dur (KV 415) – IV. Rezitativ und Arie „Misera, dove son! – Ah! Non son io che parlo“ (KV 369), eigentlich eine Sopranarie, die aber der Tenor Johann Valentin Adamberger sang – V. dieSinfonia Concertante G-Dur (d.i. der 3. Satz aus der Serenade KV 320) – VI. das Klavierkonzert in D-Dur (KV 175) mit einem neuen Rondo (KV 382) – VII. die Arie „Parto, n’affretto“ aus Lucio Silla (KV 135), gesungen von Therese Teyber – VIII. eine kleine, von Mozart gespielte Stegreif-Fuge – IX. die Klaviervariationen in F-Dur (KV 398) über die Arie „Salve tu, Domine“ aus Paisiellos I filosofi immaginarii – X. die Klaviervariationen G-Dur (KV 455) über die Arie „Unser dummer Pöbel meint“ aus Glucks Die Pilgrimme von Mekka – XI. Rezitativ und Arie „Mia speranza adorata! – Ah, non sai qual pena sia“ (KV 416), wiederum von Aloysia Lange gesungen – schließlich XII. das Finale der Haffner-Symphonie (KV 385). Befremdlich erscheint heute mancherlei an diesem Programm. Zum einen die Länge der musikalischen Akademie,  zum anderen die Zusammenstellung des Konzertes – ein Potpourri aus Symphonie, Klavierkonzerten, Gesangsnummern mit Orchesterbegleitung, solistischen Kammermusiken, ja sogar Improvisationen.  Auch befremdet die despektierliche Behandlung der Symphonie: zerrissen, als Einleitung und Finale der Akademie hergenommen, dabei wiederum eher als Serenade verstanden denn als in sich geschlossenes symphonisches Werk. Schaut man jedoch auf Mozarts kompositorisches Schaffen, fällt auf, dass zwischen 1764 und 1775 die meisten, nämlich 40 Symphonien (mit den zu Symphonien erweiterten Opern-Ouvertüren) entstanden, zwischen 1778 und 1780 jedoch lediglich 4 Symphonie vollendet wurden. Die Haffner-Symphonie ist nun von den letzten großen 6 Symphonien die erste. Hingegen entstanden zwischen 1782 und 1786 ganze 15 bedeutende Klavierkonzerte. So bildeten die Klavierkonzerte auch in diesem Akademiekonzert (zusammen mit den anderen Klavierkompositionen) den eigentlichen Mittel- und Höhepunkt, wie Alfred Einstein über die neuen Wiener Programme schrieb: „Für seine ersten Akademien benutzte Mozart teils frühere Sinfonien, teils solche zu Sinfonien reduzierte Serenaden, und die Haupt- und Mittelstücke dieser Akademien waren seine Klavierkonzerte, die durch eine oder gar mehrere Sinfonien bedeutenderen Ausmaßes nicht verdunkelt werden durften.“ Das Attraktivitäts-Verhältnis hatte sich also eindeutig zugunsten der Klavierkonzerte verschoben. Die Symphonie gab nur noch den festlichen Rahmen für jene ab.

Für das Akademiekonzert arbeitete Mozart die Serenade erneut um, strich den das Werk eröffnenden und beschließenden Marsch wieder, ebenso eines der Menuette (heute verschollen), straffte die einzelnen Sätze durch Aufhebung mancher Wiederholungen und erweiterte die Ecksätze der Haffner-Symphonie instrumental – den neuen Wiener Verhältnissen im Orchester entsprechend – um je zwei Flöten und Klarinetten. Formfragen behandelte Mozart eher frei, sein Eindruck der „Effecte“ und deren Ausgestaltung täuschte ihn jedoch nicht: impulsiv-feierliche Themen mit ebenso prägnanten wie überraschenden Durchführungen, abwechslungsreiche Bläserbegleitungen, kontrapunktische Belebungen, lebhafte Synkopierungen, prononcierte dynamische Akzente verleihen der Symphonie einen besonders feierlichen Glanz, dem im Final-Satz auch noch das schelmische Zitat der Osmin-Arie „O, wie will ich triumphieren!“ aus dem 3. Aufzug der Entführung aus dem Serail beigegeben wurde.

„Mon Trés cher Pére!“, schrieb Mozart seinem Vater am 29. März 1783, „Ich glaube es wird nicht nöthig seyn ihnen viel von dem erfolg meiner academie zu schreiben, sie werden es vielleicht schon gehört haben. genug; das theater hätte ohnmöglich voller seyn können, und alle logen waren besezt. – das liebste aber war mir, daß seine Mayestätt der kayser auch zugegen war, und wie vergnügt er war, und was für lauten beyfall er mir gegeben; – es ist schon bey ihm gewöhnlich daß er das geld bevor er ins theater kömmt, zur Caßa schickt, sonst hätte ich mir mit allem recht mehr versprechen därfen, denn seine zufriedenheit war ohne gränzen …“

 

Sigmund Haffner (d.J.)

 

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