Joseph Haydn: Sinfonie Nr.101 D-Dur, „Die Uhr“

Gestaltung: Ulrike Monnig/Weimar

Joseph Haydn (1732-1809)

Sinfonie Nr. 101 D-Dur

Adagio – Presto
Andante
Menuetto. Allegretto
Vivace

Joseph Haydn liebte die sinfonische Musik. In über hundert Werken hat er seine Meisterschaft in der Komposition dieser Gattung bewiesen. Das am heutigen Abend gespielte Werk gehört zu den berühmten „Londoner Sinfonien“ und zählt zu den meistgespielten Sinfonien des Komponisten. Sie entstand in Haydns später Lebensphase, in der er noch einmal richtig Karriere machte.

Nach dem Tod seines fürstlichen Arbeitgebers Nikolaus Esterházy löste dessen Nachfolger die Kapelle 1790 auf, so dass Haydn sich nach über 30 Jahren örtlich umorientieren musste. Bis dahin war Haydn, abgesehen von einigen Reisen nach Wien, nicht nennenswert in der Welt herumgekommen. Einen hohen Bekanntheitsgrad hatte er dennoch über die Grenzen Eisenstadts und Wiens hinaus erreicht. Dies verdankte er der Verbreitung vieler seiner Werke in Abschrift en und Drucken.

„Ich bin Salomon aus London und komme, Sie abzuholen; morgen werden wir einen Akkord schließen“, sollen die Worte des berühmten Violinisten und Konzertmanagers Johann Peter Salomon gewesen sein, die Haydn im Alter von fast 60 Jahren in das fremde Land lockten. Auch Sprachbarrieren, Haydn beherrschte bis dahin kaum ein Wort Englisch, hielten den Komponisten nicht davon ab, die Herausforderung anzunehmen. Auf Bedenken hinsichtlich der Kommunikationsschwierigkeiten soll Haydn laut seinem Biographen selbstbewusst geantwortet haben: „Meine Sprache versteht man durch die ganze Welt!“. Immerhin standen 5000 Gulden im Raum, die Haydn für die Komposition einer italienischen Oper, sechs neuer Symphonien und 20 weiterer Stücke erhalten sollte.

In England wurde Haydn hofi ert und gefeiert. Die erste Konzertsaison 1791 war derart erfolgreich, dass ihm auf Vermittlung des Musikhistorikers Charles Burney das Ehrendoktorat für Musik der Universität Oxford verliehen wurde. 1792 reiste Haydn über Bonn, wo er den jungen Ludwig van Beethoven kennenlernte, nach Wien zurück. Nur zwei Jahre später begab Haydn sich ein zweites Mal auf den Weg nach England. Die Konzertreihe des Frühjahrs 1794 zeigte sich wiederum als großer Erfolg. Während dieses zweiten Aufenthaltes knüpft e Haydn weitere Kontakte mit englischen Verlegern. Er schuf rund 250 Einzelwerke, darunter die Oper „Orfeo“, über 200 Gesangsstücke und mehrere Streichquartette und Klavierwerke sowie seine letzten sechs Sinfonien
(Nr. 99 – 104), hierunter auch die D-Dur-Sinfonie Nr. 101 mit dem Beinamen »Die Uhr«.

Genau genommen entstand in London nur der erste Satz, der zweite bis vierte Satz wurde noch in Wien niedergeschrieben. Trotzdem wird sie zu seiner Londoner Zeit gerechnet. Die Urauff ührung fand am 3. März 1794 in der britischen Hauptstadt statt. Den Titel „Die Uhr“ erhielt das Werk erst nachträglich und geht nicht auf Haydn zurück. Vielmehr wurde er vom Wiener Verleger Johann Traeg beigefügt, der 1798 eine Klavierfassung des Andante als „Rondo. Die Uhr“ herausbrachte.

Der sonderbare Beiname sorgte schon das ein oder andere Mal für Verwirrung, so bspw. im Jahre 1928, in dem Arturo Toscanini die Sinfonie in Wien dirigierte. Im Anschluss an das Konzert beschwerte sich ein Zuhörer im Künstlerzimmer, dass das Thema der Uhr nur im Andante zu hören gewesen sei. Seine Erwartungshaltung sei doch gewesen, das tickende Motiv durchgängig zu hören.

In der Tat zeigt sich die Uhr in den ersten Takten der Sinfonie recht launisch, denn die langsamen Viertelbewegungen zu Beginn des ersten Satzes erhalten Sforzati auf den unbetonten Taktzeiten – ein recht untypischer Uhrenklang. Dann allerdings kommt das Uhrwerk in Fahrt und tickt im Presto. Nein – an ein Zeitmessgerät scheint Haydn bei seiner Komposition tatsächlich nicht gedacht zu haben.

Die ersten Violinen sind federführend und stellen zwei leichtgewichtige, heitere Th emen im piano vor, wobei das zweite Thema eher als Variante denn als Kontrast wirkt. An das Ticken einer Uhr erinnert eher die metronomische Figur der Fagotte und Streicherpizzicati im zweiten Satz, die sich durch zahlreiche kleine Variationen ziehen.

Das Menuett ist mit 160 Takten und knapp zehn Minuten Dauer ungewöhnlich lang. Der Grund hierfür liegt wohl darin, dass es bereits ein Jahr zuvor im Rahmen von 14 Stücken für die Flötenuhr komponiert wurde. Im Trio ist das gesamte Orchester beteiligt. Die Streicher bilden mit einer schwebenden Pianissimo-Bewegung die Grundlage für eine wunderschöne Flötenmelodie.

Die Sinfonie endet mit einem kunstvollen Sonatenrondo und entlässt den Zuhörer mit einem schwungvollen Vivace.

Haydn gehörte zu den glücklichen Komponisten, deren Werk bereits zu Lebzeiten großen Anklang fand.

Schon die erste Rezension des Morning Chronicle rühmte die einfachen Mittel, derer sich der große Meister in der Sinfonie 101 bediente: „Nichts könnte origineller sein als das Thema des ersten Satzes; und hat er einmal ein treffliches Thema gefunden, kann niemand besser als Haydn unaufhörliche Mannigfaltigkeit daraus schöpfen, ohne auch nur einmal davon abzulassen. Die Gestaltung der Begleitung im Andante, obgleich höchst schlicht, war meisterhaft, und wir hörten nie zuvor einen reizvolleren Effekt als den des Trio im Menuett. […]“

Und dann zusammenfassend:

„It was Haydn: what can we, what need we say more?“