J.S.Bach – Doppelkonzert für Violine, Oboe und Orchester in c-moll, BWV 1060

Johann Sebastian Bach (1656-1750)
Doppelkonzert für Violine, Oboe und Orchester in c-moll, BWV 1060

1. ohne Bezeichnung (c-moll)
2. Largo (Es-Dur)
3. Allegro assai (c-moll)

Wie wir wissen, war Johann Sebastian Bach ein Allround-Genie, das sich in nahezu allen musikalischen Gattungen erfolgreich ausprobierte. Mögen auch seine vokalen geistlichen Werke im Zentrum der Wahrnehmung stehen, so hat er doch auch im rein instrumentalen Bereich Erstaunliches geleistet. Hier wiederum sind es in erster Linie die Werke für Tasteninstrumente, die wir mit dem Namen Johann Sebastian Bach verbinden. So ist denn auch das Doppelkonzert für Violine, Oboe und Orchester BWV 1060 in einer Fassung für zwei Cembali und Orchester überliefert. Entstanden ist dieses Werk vermutlich in Bachs Köthener Zeit, also in den Jahren 1717 bis 1723, einer Zeit, in der Bach als Leiter der Kammermusik am Hofe agierte.

Der musikbegeisterte Fürst Leopold von Anhalt-Köthen erwartete von Bach nur wenige kirchenmusikalische Kompositionen, was dem Komponisten die Gelegenheit bot, sich in erweitertem musikalischen Umfeld zu probieren. Aber warum wurde aus einem Konzert für zwei Cembali plötzlich eines für Violine und Oboe?

Es kann mehrere Gründe geben: Bachs Werk ist nur unvollständig erhalten, so dass Musikerfantasien sich den wildesten Träumen hinsichtlich verschollener Werke hingeben. Könnte es also sein, dass gerade das nicht allzu üppig überlieferte Instrumentalwerk besonders stark von den Verlusten betroffen war? Natürlich ist dies möglich, denn vielleicht gehörten einige der handschriftlichen Partituren zur Bibliothek der Köthener Hofkapelle, von der keine Spur mehr erhalten ist. Auch maßen Bachs Erben den Manuskripten, die weltliche Gelegenheitswerke enthielten, als Aufführungsmaterial wohl ziemlich wenig Wert bei, so dass die Konzerte vielleicht nicht der Aufbewahrung als würdig empfunden wurden.

Mit Sicherheit aber lässt sich sagen, dass Bach einmal erarbeitetes musikalisches Material häufig in weiteren Kompositionen wieder verwandte bzw. vorhandene Werke noch einmal für andere Instrumente einrichtete.

So geht man inzwischen davon aus, dass der große Meister neben den drei original überlieferten Konzerten für Violine(n) noch sechs weitere Werke für dieses Instrument geschrieben hat.

Zwei Versionen an Rekonstruktionen des Doppelkonzertes sind heute bekannt, eine in c-moll, die andere in d-moll. Das zugrundeliegende Konzert für zwei Cembali ist in cmoll notiert. Aufgrund von stilistischen Erwägungen geht man davon aus, dass das Werk für zwei Melodieinstrumente notiert wurde. Zunächst spekulierte man auf ein Konzert für zwei Violinen. Es könnte sich um ein Gegenstück zu dem bekannten Doppelkonzert in d-moll gehandelt haben. Bei näherer Betrachtung fiel allerdings auf, dass die beiden Solostimmen nicht wie in dem bekannten Doppelkonzert symmetrisch angelegt waren, sondern sich auf bezeichnende Weise von einander unterschieden. Während das erste Cembalo auffallend viele Sechszehntel-Figuren aufweist, wie sie für Bachs Geigenstimmen typisch sind, hatte das zweite Cembalo eher Kantilenen der Art zu spielen, die er ansonsten Blasinstrumenten wie der Oboe anvertraute. Auf diese Weise rekonstruierte man unter Rücktransponierung nach d-moll die Fassung eines Konzertes für Violine und Oboe. Verfechter der originalgetreuen Aufführung von musikalischen Werken dürfte der Gedanke besänftigen, dass diese Version wohl die ursprüngliche sein dürfte. Der lockere Umgang des Meisters mit originalen Kompositionen stieß nämlich keineswegs nur auf Freunde.

Einer der größten Liebhaber Bachscher Musik, Albert Schweitzer, hatte in seinem großen Bachbuch aus dem Jahre 1908 noch geschrieben: „Wie Bach es wagen durfte, die zwei singenden Violinstimmen aus dem Largo dieses Werkes (gemeint ist das Doppelkonzert) dem Cembalo mit seinem abgerissenen Ton preiszugeben, möge er vor sich selbst verantworten.

Hätte er es nicht in Person getan, würden wir heute in des Altmeisters Namen gegen solch unbachische Übertragungen protestieren. Es ist nicht der einzige Fall, wo es Bach seinen Propheten schwer macht, in seinem Namen wider die Rotte Korah böser Transkriptoren aufzutreten.

“Beim Hören dieser wunderbaren Musik sollten wir uns aber nicht allzu stark der Grübelei über die tatsächliche Enstehungsgeschichte des Werkes hingeben, sondern die dialogreichen Phrasen genießen, in denen nicht die instrumentale Virtuosität im Mittelpunkt steht, sondern vielmehr das Concertando-Prinzip, bei dem die Grenzen zwischen Solo und Tutti fließend ineinander übergehen. Besonderen Reiz hat der filigrane, langsame Mittelsatz, der weite Melodiebögen umspannt.

Jawohl, Herr Bach hat auch weltliche Musikgenüsse hervorgebracht, die es mit seinem geistlichen Musikschaffen aufnehmen können.

Gestaltung: Ulrike Mönnig/Weimar